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Waldkindergarten - lebenswert leben

Brancheneinblicke

Gut, dass ich zweimal im Waldkindergarten Fliegen- pilz war und ihn sicher noch einmal besuchen wer- de. Beim ersten Besuch hier wurde mir klar, dass es hier nicht um einen Kindergarten mit Bauwagen im Wald geht, sondern dass sich der Waldkindergarten Fliegenpilz in Bad Kissingen in einem großen Wald- stück unterhalb des Sinnbergs befindet. Ihn gilt es zu erleben (den Waldkindergarten) und er (der Wald) wird erlebt und belebt von den Erziehern und den Kindern des Waldkindergartens.

Bei meinem ersten Besuch ohne Termin habe ich die Kinder gar nicht gefunden. Kein Ton von Kindern war weit und breit zu hören in diesem großen Wald- gebiet. Es macht also Sinn, dass man sich hier anmeldet.

Beim zweiten Besuch, der dann mit der Leiterin Frau Vera Wilm vereinbart war, wurde ich von Petra, einer weiteren Erzieherin im Wald nahe am Wald- parkplatz abgeholt und hin zum Holztipi geführt. Dort waren die Kinder mit ihren Erziehern in der Natur unterwegs. Kaum Lärm, viel Geschäftigkeit, Kinder, die gerade verkaufen, kochen, einen großen Baum- ast mit sich führen (ich bin ein Baum). Kinder, die gerade einen Knochen gefunden haben und wo ich lerne, dass wir solche Sachen hier nicht mit den Händen anfassen, sondern mit einem Taschentuch und uns das Fundstück dann genauer ansehen. Elle und Speiche, so sah dieser Knochen aus und sofort war klar, der muss ja irgendwie vom Ellenbogen sein, denn sonst hieße es ja nicht Elle.

Und Weißdorn und Esche und Buche und Eiche, all das ist für die Kinder hier selbstverständlich, weil sie ja hier leben. Ja sie leben hier während des ganzen Jahres im Wald/Kindergarten. Man bleibt auch nicht sehr lange an einem Platz. Wir sind Nomaden, so erklärt es mir Petra. Und Vera, die die Leitung hat erklärt mir, dass es eine wichtige Regel gibt, die da heißt: wir bleiben in Sichtweite. Und wei- ter: wir gehen mit der Natur wertschätzend um. Wir lassen Tiere da, wo wir sie sehen und gefunden haben. Wenn wir unser Bestimmungsbuch dabei haben, dann schauen wir gleich nach oder wir mer- ken uns, was wir da gesehen haben und bestimmen es später, wenn wir es nicht kennen.

Trotz Wald und heute an einem Regentag, gilt eine weitere Regel, die da heißt: wir essen hier im Freien und wir haben, soweit das möglich ist, auch eine gute Esskultur. Wir starten also mit Händewaschen und die Kinder stellen sich ordentlich hintereinander auf. Ein Erzieher gießt mitgebrachtes Leitungswas- ser aus einem Kanister auf die meist schmutzigen Kinderhände, und ein weiterer Erzieher seift diese kräftig ein. Danach das Gebet, alle Kinder und Er- wachsenen geben sich die Hände und dann isst je- der, was er von zu Hause mitbekommen hat. Wenn alle fertig sind, wird diese Essensgemeinschaft wieder aufgehoben mit einem Lied oder einem Ge- dicht, das eines der Kinder an diesem Tag bestim- men darf.

Und noch so ein Hinweis: Ein Stück Holz kann alles sein. Ein Löffel, ein Instrument, ein Werkzeug, … immer kommt es darauf an, dass wir mit den Kin- dern in diesem Moment so kommunizieren, wie sie es gerade mit diesem Holzstück erleben. Kommuni- kation ist wichtig, gerade auch für ein lebenswertes Leben.

Über angenehme Dinge lässt sich leicht reden, so Vera, aber auch unangenehme Dinge müssen be- sprochen werden, damit sich nichts aufstaut. Vera lobt die tolle Elternschaft, die unterstützend mit da- bei ist und die zum Beispiel den Bau des Holztipis ini- tiiert hat. Was ich sehe, sind hellwache Kinder. Selbstbewusst und sehr anständig. Ich höre viel »bitte« und »danke« und ich höre auch, wenn es einer vergisst, dass ihn ein anderes Kind daran erinnert.

Nach zwei Stunden im Waldkindergarten habe ich das Gefühl … ich bin im Paradies. Und ich habe Menschenkinder erleben dürfen, die dieses Paradies wertschätzen. In vielen Unternehmen macht der Kopf die Musik und hier ist das Vera mit ihrem Team: Petra, Daniel, Manuela, Sarah und Heidi, die heute nicht da war. Vera erzählt mir, dass sie, weil die Kinder aus unterschiedlichen Orten kommen, Rückmeldungen von vielen Schulen be- kommt und diese Rückmeldungen sind sehr positiv. Die Kinder sind genauso weit, wie die Kinder aus den Kindergärten, die wir alle irgendwie kennen, vielleicht selbst erlebt haben. Sie haben ein positives Sozialverhalten und gehen wertschätzend miteinan- der um. Ich habe das Gefühl, dass die Kinder hier sehr natürlich sind. Drei Jahre leben im Wald, in der Natur, das ist ein gutes Fundament für das weitere Leben dieser Kinder. Und dass Kinder eigentlich die Frucht ihrer Eltern sind, und dass es beim Erfolg um die Früchte unseres Daseins geht und dass das sehr einfach, sehr gottgefällig, sehr liebevoll und le- benswert passieren kann, dieser Eindruck bleibt am Ende des Besuches im Waldkindergarten.

Natürlich gibt es den Lehrplan für Kindergärten. Der gilt auch hier. Während des Essens haben wir über Sternzeichen gesprochen, die meisten Kinder ken- nen ihr Sternzeichen. Wir haben gebetet, uns im Kreis die Hände gereicht, wir haben einen neuen Buchstaben kennengelernt, das F und damit natür- lich den Frosch in seinem Glas, wie er uns das Wetter anzeigt. Wir haben am Baum einen mor- schen Ast gesehen, der den Platz darunter zur Zeit nicht nutzbar macht, weil es zu gefährlich wäre, wenn er herunterfällt. Ich habe gelernt: Zecken darf man knacken und Schnaken darf man patschen. Alle anderen Tiere werden betrachtet und selbst- verständlich am Leben gelassen. Wer schnitzt der sitzt und damit nichts passiert, wird immer von der Hand weg geschnitzt. Und es gibt Meisel und Ham- mer, richtig schweres Werkzeug neben Malsachen, Töpfen und und und.

In dieses lebenswerte Leben im Waldkindergarten Fliegenpilz durfte ich schöne Stunden mit hineinle- ben. Beim Verabschieden spürt man, was Kinder wert sind. Dass sie wertvoll sind. Sie sind der wahre Erfolg, die Früchte unseres Lebens. Das war über viele Generationen so und das wird hof- fentlich noch viele Generationen so sein. Ein Wald- kindergarten macht dieses Erleben ganz besonders sichtbar und ich wünsche dir liebe Vera und deinem Team und den Kindern weiter dieses lebenswerte, gute, einfache Leben im Wald. Wer den Waldkin- dergarten vielleicht mit seinen eigenen Kindern be- suchen will, kann sich gerne vorab informieren unter
www.waldkindergarten-badkissingen.de

Autor/Textnachweis: Thomas Rösch

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